Marketing für Kinderlebensmittel: Wie wirkt Werbung auf die Essgewohnheiten von Kindern?
Jedes Kind, das Medien wie Fernsehen und Internet nutzt, sieht jeden Tag durchschnittlich 15-16 Werbungen für ungesunde Lebensmittel, zeigt eine aktuelle Untersuchung der Universität Hamburg. Mehr als 90% aller Lebensmittelwerbung, die sich an Kinder richtet, betreffen ungesunde Produkte. Als ungesund werden die beworbenen Lebensmittel eingestuft, weil sie einen hohen Anteil an Fett, Zucker und Salz enthalten; es handelt sich dabei in der Regel um Süßwaren, Knabberartikel und überzuckerte Limonaden. Fast drei Viertel der Lebensmittelwerbung im Fernsehen, die von Kindern gesehen wird, spricht diese durch ihre Aufmachung oder durch die Ausstrahlung im Umfeld von Kinderprogrammen, gezielt und direkt an.
Kinder sind eine der wichtigsten Zielgruppen der Lebensmittelindustrie. In der Kindheit werden Essgewohnheiten und Ernährungsvorlieben geprägt. Die Lebensmittelindustrie vermarktet an Kinder hauptsächlich energiedichte, kalorienreiche und stark verarbeitete Produkte, die reichlich Zucker und Fett, Zusatz- und Aromastoffe, aber kaum Vitamine und Nährstoffe enthalten. Diese Produkte sind dafür entworfen, die Vorliebe von Kindern für Süßes anzusprechen und deren Geschmack für die Zukunft zu prägen.
Mit Spielzeugbeigaben, beliebten Comicfiguren, Online-Spielen oder Preisausschreiben werden diese Produkte an den Eltern vorbei direkt an die Kinder vermarktet. Werbung, die gleichzeitig auch die Eltern ansprechen soll, täuscht diese mit trügerischen Gesundheitsversprechen; so werden Süßigkeiten mit (zugesetzten) Vitaminen oder Snackartikel mit minimalen Milchanteil als „gesunde“ Alternativen angepriesen und so das Gewissen der Eltern beruhigt, wenn sie dem Drängen der Kinder nachgeben.
Es ist belegt, dass die aggressive, an Kinder gerichtete Werbung deren Konsumverhalten beeinflusst, zu vermehrtem Konsum von ungesunden, kalorienreichen Lebensmitteln führt und damit auch zu Übergewicht und Adipositas bei Heranwachsenden beiträgt. Um Kinder vor Lebensmittelwerbung zu schützen, hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) im Jahr 2016 Empfehlungen zur Regulierung des Kindermarketing in Fernsehen und digitalen Medien vorgelegt. Die Umsetzung dieser Empfehlungen ist weltweit jedoch sehr unterschiedlich und insgesamt unbefriedigend. Eine freiwillige Selbstverpflichtung von elf großen Lebensmittelfirmen, der sogenannte EU-Pledge aus dem Jahr 2007, ist wirkungslos geblieben. Fachgesellschaften und Expert*innen sind sich einig, dass eine gesetzliche Regulierung des Kindermarketings notwendig ist.
Das aktuelle heimische Projekt“food4kids“ führt derzeit eine Studie über die Fernsehgewohnheiten von Kindern zwischen 3 und 13 Jahren und den Einfluss von Werbung auf ihr Essverhalten durch. Hinter der Initiative steht eine Gruppe von Studierenden der Ernährungswissenschaften an der Universität Wien. Ihr Ziel ist es, Kinder und Eltern dabei zu unterstützen, Werbung zu verstehen. Ein Infofolder für Eltern bzw. Pädagog*innen und ein Factsheet für Kinder sollen die kritische Auseinandersetzung mit Lebensmittelwerbung fördern.
Literatur:
- Effertz, T. (2021): Kindermarketing für ungesunde Lebensmittel in TV und Internet. Universität Hamburg.
URL: https://www.bwl.uni-hamburg.de/irdw/dokumente/kindermarketing2021effertzunihh.pdf - Foodwatch (2012): Kinderlebensmittel-Report 2021: Kinder kaufen. Wie die Lebensmittelindustrie Kinder zu falscher Ernährung verführt, Eltern täuscht und die Verantwortung abschiebt.
URL: https://www.foodwatch.org/fileadmin/Themen/Kinderlebensmittel/Dokumente/20120302_foodwatch-Report_Kinder-kaufen_ger.pdf - Konsument (2017): Marketing für Kinderlebensmittel. URL: https://www.konsument.at/essen-trinken/marketing-fuer-kinderlebensmittel
- WHO (2016): Tackling food marketing to children in a digital world: trans-disciplinary perspectives. Children’s rights, evidence of impact, methodological challenges, regulatory options and policy implications for the WHO European Region. URL: https://www.euro.who.int/en/health-topics/disease-prevention/nutrition/publications/2016/tackling-food-marketing-to-children-in-a-digital-world-trans-disciplinary-perspectives.-childrens-rights,-evidence-of-impact,-methodological-challenges,-regulatory-options-and-policy-implications-for-the-who-european-region-2016