Partizipation – ein Grundprinzip der Gesundheitsförderung
Partizipation oder Teilhabe ist ein wichtiges Grundprinzip der Gesundheitsförderung. Dass Beteiligte ihren Lebensraum – je nach den eigenen Möglichkeiten und Teilhabewünschen– mit- bzw. selbstgestalten, ist integrativer Bestandteil des Settingansatzes der Gesundheitsförderung.
Partizipation bedeutet, dass sowohl Einzelpersonen als auch Gruppen aktiv an Prozessen teilhaben und mitwirken. Als Grundprinzip der Gesundheitsförderung soll Partizipation dazu beitragen, dass Maßnahmen den tatsächlichen Bedürfnissen der Beteiligten entsprechen und damit eher Erfolg haben. Beteiligte werden in Maßnahmen der Gesundheitsförderung einbezogen, indem sie beispielsweise als Partner an Verhandlungen teilnehmen oder eine institutionalisierte Entscheidungsmacht (z.B. Selbsthilfegruppe, Bürgerinitiative) darstellen.
Wirkliche Partizipation ist mehr als nur Teilnahme. Wesentliche Aspekte von partizipativen Prozessen sind, dass die Vorstellungen und Ideen aller Beteiligten ernst genommen werden und sie unterstützt werden, sich Gedanken über die Gestaltung des eigenen Lebensumfeldes zu machen.
Können Kinder und Jugendliche mitbestimmen?
Die Beteiligungsmöglichkeiten von Kindern und Jugendlichen verändern sich mit dem Alter und mit der Entwicklung von kognitiven und sozialen Fähigkeiten. Die Fähigkeiten zur Mitsprache und Mitentscheidung von Kindern und Jugendlichen werden von Erwachsenen oft unterschätzt. Schon 4-6-Jährige haben eine eigene Meinung, wenn es um ihre unmittelbare Lebenswelt, ihre Spiel- und Aufenthaltsorte geht. Volksschulkinder haben konkrete Ansichten über ihre Umwelt – Wohnumgebung, Schule – und bilden sich Vorstellungen darüber, wie das Zusammenleben von Menschen organisiert ist. Ab der Sekundarstufe 1 erweitern sich die Möglichkeiten für Mitbestimmung und Mitentscheidung immer mehr, formale und repräsentative Formen der Beteiligung werden wichtiger.
Prinzipien der Beteiligung von Kindern und Jugendlichen
Grundlage für gelingende Partizipation von Kindern und Jugendlichen ist die Bereitschaft und eine entsprechende Haltung der erwachsenen Beteiligten in der Schule, also von Schulleitung und Lehrkräften. Kinder und Jugendliche werden als selbstbestimmte Subjekte wahrgenommen, die sich in alle Entscheidungen, die sie betreffen, einbringen dürfen und sollen. Damit sie das können, gilt es folgende Prinzipien zu beachten:
- Information: Kinder können sich nur beteiligen, wenn sie wissen, worum es geht, wie sie durch die anstehenden Entscheidungen betroffen sind und welche Entscheidungsspielräume und Alternativen es gibt.
- Transparenz: Kinder und Jugendliche wissen, wie sie sich beteiligen können und kennen die Strukturen und Prozesse.
- Freiwilligkeit: Beteiligung ist immer freiwillig! Die Kinder und Jugendlichen entscheiden selbst, ob sie sich beteiligen möchten oder nicht.
- Verlässlichkeit: Kinder und Jugendliche brauchen die Sicherheit, dass die begleitenden Erwachsenen sie im Prozess nicht allein lassen und die gemeinsam beschlossenen Projekte auch umgesetzt werden.
- Individuelle Begleitung: Kinder und Jugendliche werden tatkräftig und aktiv, je nach ihren individuellen Bedürfnissen dabei unterstützt sich zu beteiligen.
(gekürzt nach URAY-PREININGER/JERAM/DREHER/PÖLZL-STEFANEC/WALTER-LAAGER 2018, S. 33)
Formen der Beteiligung von Kindern und Jugendlichen
Projektbezogene Formen:
Mitwirkung bei der Gestaltung von Pausenplatz oder Schulhof, bei Projektwochen und Schulfesten u.a.
Informelle, offene Formen:
Schülerinnen und Schüler haben die Möglichkeit, ihre Meinungen und Wünsche zu äußern (z.B. in Gesprächs- und Diskussionsrunden), an Feedbackaktionen teilzunehmen, bei der Erarbeitung von Hausordnung, Verhaltensregeln oder Leitbild mitzuwirken.
Formelle, institutionalisierte Formen:
Klassenrat, Klassen- und Schulsprecher*innen, Schüler*innenparlamente.
Partizipation kann auch im Kontext Schule recht weitreichend sein, sofern die Entscheidungsträger, nämlich Schulleitung und Lehrkräfte, dazu bereit sind. Partizipation, die tatsächlich der Gesundheit von Schüler*innen förderlich ist, kann bedeuten,
- dass Schüler*innen auch Lerninhalte und Lerntempo mitbestimmen können.
- dass Schüler*innen bei strukturellen Veränderungen eingebunden werden.
- dass Schüler*innen in Planungen, die sie betreffen, eingebunden werden.
(vgl. SAHRAI/BITTLINGMAYER/GERDES 2012; KOHLER 2013)
Was bringt Partizipation?
Wenn Partizipation ernst genommen und reale Möglichkeiten der Beteiligung geboten werden, kann sie folgendes bewirken:
- die Selbstwirksamkeit und das Selbstvertrauen der Schülerinnen und Schüler stärken,
- das Zugehörigkeitsgefühl der Schülerinnen und Schüler stärken,
- Schul- und Unterrichtsentwicklung verbessern.
Linktipps:
- polis aktuell 2021/04: Partizipation von Kindern und Jugendlichen.
- Kompass Partizipation: Für mehr Mitbestimmung in der Schule (PDF)
- Mitwirken – Partizipation in der Schule. Praxisleitfaden SchülerInnen-Partizipation.
- NAG Jugenddialog & Jugendbeteiligung
- beteiligung.st, Fachstelle für Kinder-, Jugend- und BürgerInnenbeteiligung
Mehr zu Partizipation und Empowerment als Grundprinzipien schulischer Gesundheitsförderung in unserer Praxisbroschüre Unterwegs als gesunde Schule: Ein Reiseführer zur schulischen Gesundheitsförderung.
Weitere Literatur:
KOHLER, Britta (2013): Schülerpartizipation ermöglichen. Anliegen der Schüler ernst nehmen, Spielräume eröffnen und Strukturen schaffen. In: Pädagogik 65. Jahrgang (12), S. 30-32.
MARTY, Hildy (2013): Mitwirken – Partizipation in der Schule. Praxisleitfaden SchülerInnenpartizipation. Zürich: Schulamt Stadt Zürich. URL: https://www.stadt-zuerich.ch/ssd/de/index/volksschule/publikationen_broschueren/partizipation-schule.html .
SAHRAI, Diana/BITTLINGMAYER, Uwe H./GERDES, Jürgen (2012): Partizipation, politische Bildung und Gesundheit an Schulen. In: ROSENBROCK, Rolf/HARTUNG, Susanne (Hg. 2012): Handbuch Partizipation und Gesundheit. Bern: Verlag Hans Huber. S. 222-234.
URAY-PREININGER, Katrin/JERAM, Bettina/Dreher, Eva/PÖLZL-STEFANEC, Eva-Maria/WALTER-LAAGER, Catherine (2018): Beteiligung von Anfang an. Grundlagen, Methoden und Berichte aus der Praxis für den Kindergarten. Graz: Fachstelle beteiligung.st, S. 33.